Auch wenn das abgedroschen klingt und die meisten glauben, das zu wissen: Universität ist nicht gleich Schule. Für die meisten sah Schule doch eher so aus: Vormittage absitzen, Hausaufgaben im Bus machen, danach Freizeit. Die Uni dagegen ist ein Vollzeitjob, und die guten Studenten arbeiten eher 50 als 40 Stunden die Woche an ihrem Studium.
Es gibt aber noch einen viel subtileren Unterschied zwischen Universität und Schule: An der Uni muss man für alles und jedes selbst aktiv werden. Man muss das, was einem angeboten wird (vom Studienplan bis zum Vorlesungsstoff), hinterfragen und in eine Form bringen, mit der man selbst etwas anfangen kann. Und das ist ungleich viel anstrengender als einfach nur zu konsumieren.
Die meisten Leute halsen sich viel zu viel Vorlesungen etc. auf. Der Studienplan geht von einem begabten Vollzeitstudenten aus - wer nicht ganz so fit ist, wer nebenbei arbeitet oder wer noch Zusatz- oder Nachholvorlesungen hört, der wird ziemlich sicher bald überall gleichzeitig den Faden verlieren.
Mein Tipp:
Die meisten Studenten kommen schon nach wenigen Wochen der Vorlesungszeit aus dem Tritt: Man besucht schon die nächste Vorlesung, bevor die letzte nachbereitet ist; die Literatur wurde nicht gelesen und das eine oder andere Übungsblatt ausgelassen. Solche Auslassungen kumulieren sich, und schon bald hat man völlig den Faden verloren und schreibt in den Vorlesungen nur noch mit, ohne etwas zu verstehen. Man tröstet sich damit, das Versäumte nachzuholen, "wenn man mal mehr Zeit hat", aber dieser Moment kommt natürlich nicht (Einsturz der Lernpyramide). Dafür gibt es im wesentlichen drei mögliche Gründe:
Zugang zum Stoff erhalten nur die wenigsten, indem sie ausschließlich Vorlesungen hören und nachbereiten. Die Fächer der Informatik und Mathematik zielen auf tieferes Verständnis des Stoffes und nicht auf das Bewältigen großer Stoffmengen. Dazu ist es unbedingt nötig, den Stoff so viel wie möglich zu üben.
Dabei muss es nicht unbedingt immer nur um die vorgefertigten Übungsaufgaben gehen. So kann es sinnvoll sein, sich zunächst eigene Übungsaufgaben zu stellen, die viel kleiner und damit einfacher sind als die "offiziellen". Man lernt ja auch nicht Lesen und Schreiben, indem man als erstes ein Buch schreibt. Und man lernt nicht Kochen, indem man zunächst ein Vier-Gänge-Menü zaubert.
Man kann sich auch eigene Ziele setzen. Wer mit Spaß und Neugier selbstgestellten Fragen nachgeht, der ist gleich ganz anders motiviert und lernt quasi nebenbei. Wer dagegen nur lernt, weil er lernen soll, der kriegt unweigerlich Motivationsprobleme und endet in Abschnitt 2.3.
Wenn der Aufwand und die geistigen Fähigkeiten stimmen, aber die Resultate (sprich: Klausurergebnisse) ausbleiben, dann kann das an einer falschen Lerntechnik liegen. Für jedes Fach gibt es eine andere Art, sich optimal auf Klausuren vorzubereiten (so unterscheidet sich eine Mathe-Klausur fundamental von jeder BWL-Klausur). Alles, was man zur Programmierkurs-Klausur wissen muss, steht im nächsten Abschnitt. Bei Problemen in anderen Fächern empfehle ich, sich im Internet oder besser noch bei erfahreneren Kommilitonen Lerntipps zu besorgen.
Die Faustregel, die für alle Vorlesungen gilt, gilt natürlich auch hier: Eine Vorlesung sollte binnen 36 Stunden nachbereitet werden, sonst hat man schon fast alles Gehörte wieder vergessen. Und wer mit der Vorlesung aus welchen Gründen auch immer nicht zurechtkommt, sollte andere Quellen zu Rate ziehen - siehe 4. und 5.
Es gibt reichlich Übungsaufgaben, die auch korrigiert werden und in denen ihr lernen könnt, worauf es später auch in der Klausur ankommt. Hier kriegt ihr ein Grundpensum an vorlesungsbegleitender Übung - lasst die Aufgaben nicht liegen bis zur Klausurvorbereitung!
Es bietet sich an, für jedes der drei Teilgebiete ein eigenes Projekt anzugehen, das man selbst spannend findet (z.B. eine eigene Homepage erstellen, ein Vier-Gewinnt-Spiel programmieren und ein Kochbuch in XML anlegen). Auf diese Weise kriegt man ungleich mehr Übung, als wenn man nur die Übungsaufgaben bearbeitet.
Es gibt eine Vorlesung, eine Übung und Tutorien. Es gibt eine Mailingliste zum Programmierkurs, und zumindest ich habe auch noch eine Sprechstunde. Wer sich bemüht hat, etwas zu verstehen, aber dann trotzdem nicht weiterkommt, der kann und sollte nachfragen. Der goldene Satz lautet "Es gibt keine dummen Fragen." Wenn man keine Fragen stellen dürfte, dann könnten wir die Uni zumachen und alles aus Büchern lernen!
Es gibt gerade für diese Vorlesung unglaublich viele Möglichkeiten, sich Material zu beschaffen. Das Internet liefert Unmengen von Informationen (Google-Suche JAVA 26,4 Mio Treffer, HTML 352 Mio Treffer, XML 13,8 Mio Treffer). Es gibt Newsgroups und Mailinglisten. In der Uni-Bibliothek (Zentrale, Mathe- und BWL-Bib) stehen haufenweise Bücher zum Thema. Es gibt Informationen für alle Themen und in allen Schwierigkeitsgraden. Wer hier nichts findet, was für sein Problem passt, der hat nicht richtig gesucht.
Ich maße mir mal an, für den Programmierkurs von Gruppenarbeit abzuraten. Kämpft euch selbst durch! Die Fertigkeiten, die in diesem Programmierkurs vermittelt werden, sind so etwas wie das "Handwerk" des Informatikers. Man lernt nicht zu löten, zu nähen oder zu kochen, indem man darüber diskutiert und anderen dabei zuschaut, sondern indem man es selbst tut - immer und immer wieder, bis man es kann. Fragt einander, wenn es Probleme gibt, aber übt für euch allein. Am Ende sitzt ihr sonst allzu leicht in der Klausur und stellt fest, dass ihr zu viel zugesehen und zu wenig selbst gemacht habt, und dann ist es zu spät.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass es massenhaft Literatur, Webseiten und Seminare zum Thema "Lerntipps" gibt, und ich kann nur raten, sich hier mal ein wenig umzusehen. Natürlich findet man dort ganz verschiedene Meinungen, was gut und was schlecht ist, und viele Tricks, die für das eine Fach klappen, misslingen für ein anderes Fach völlig. Die obigen Ratschläge sind daher meine eigene Sicht der Dinge (nach 9 Jahren an der Uni), und die Lerntipps beziehen sich vor allem auf den Programmierkurs.
In anderen Veranstaltungen stellen sich ganz andere Fragen, z.B.:
Für jede dieser Fragen gibt es reichlich Antworten, und es ist auch Sinn und Zweck des Studiums, die eine oder andere Lerntechnik auszuprobieren und dabei diejenigen zu entdecken, die am Besten zu einem passen.
Am Ende, und das ist eine ganz wichtige Wahrheit, erhält man den Titel nur in zweiter Linie für das Wissen, was in den Prüfungen abgefragt wird. In erster Linie erhält man ihn, weil man gelernt hat, schwieriges Wissen für sich zugänglich zu machen. Und die Methoden, mit denen einem dies gelingt, sichern einem auch dann noch einen Arbeitsplatz, wenn in 25 Jahren kaum noch jemand weiß, was "HTML" eigentlich war.
Kontakt Erik Zenner: zenner@th.informatik.uni-mannheim.de